"Warum soll es mir besser gehen als allen anderen Motorradreisenden, die nicht gerade in der Wüste unterwegs sind", denke ich und suche mir den Tag aus, für den seit einer Woche zuverlässig Regen prophezeit ist. Außerdem will ich ja unbedingt mein Zelt auf Dichtigkeit testen und so packe ich am vergangenen Dienstag meine 3 Habseligkeiten, die ich für meinen Ausflug benötige.
Nachdenklich betrachte ich den Berg Zeugs, Gepäckrolle, sowie Zelt und Schlafmatte, den ich im Korridor abgestellt habe und überlege, was um Himmels Willen da passiert ist. Ich habe Wechselbekleidung für einen Tag und Waschzeug dabei, der Rest ist tatsächlich Ausrüstung, wobei der Schlafsack in der Gepäckrolle verstaut ist. Aber gut, kann ich im Moment nicht ändern ...
Nun noch schnell die Route aufschreiben ...
Am nächsten Morgen mache ich mich fertig. Ich möchte vormittags so zwischen 10 und halb 11 Uhr starten, denn der Campingplatz schließt um 13 Uhr seine Pforten und öffnet erst eine Stunde später wieder. In dieser Zeit ist keine Anmeldung möglich. Aber gut, wenn ich um halb elf zu Hause losfahre, bin ich spätestens um 12 Uhr vor Ort. Also eigentlich ...
Ich schaue aus dem Fenster und beschließe, noch einen Moment abzuwarten, denn der Nieselregen hat sich ordentlich gesteigert und es regnet Bindfäden. Ich belade Nancy in der Garage und nachdem ich das erledigt habe, telefoniere ich ein bisschen mit meiner Freundin, dabei allerdings immer den Blick nach draußen gerichtet. Als der Regen endlich nachlässt, würge ich sie recht unhöflich ab - immerhin habe ich schon dreimal gesagt, dass ich jetzt auflegen muss - ziehe mich in Windeseile an und stelle Nancy in die Einfahrt ...
"Irgendwie seht ihr aus, als ob ihr auf Weltreise geht", stellt Lil' Ben belustigt fest und erntet einen semi-vernichtenden Blick. Aber Recht hat er ja ...
Nun klettere ich auf Nancy und starte den Motor. Wir rollen die Einfahrt hinunter, biegen nach rechts in die Straße ein und haben nach ungefähr einem Kilometer die Ortsgrenze erreicht. Wieder biege ich rechts ab, diesmal auf die L 39 Richtung Straelen. Nach 5 Kilometern halte ich am Straßenrand an und überprüfe den Sitz des Gepäcks, aber alles ist in Ordnung, nichts hat sich gelöst. Nach weiteren 5 Kilometern halte ich noch einmal an und überprüfe das Gepäck erneut, aber nach wie vor ist alles fest verzurrt an seinem Platz.
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L39 Nähe Wachtendonk |
Frohen Mutes fahre ich weiter. Es regnet leicht, aber nichts kann meine Vorfreude trüben ... also noch nichts ...
Kurz vor Straelen biege ich auf die B58 und halte mich an die Wegweiser Richtung Geldern. Dumm nur, dass ich mich so auf Geldern eingeschossen habe, sozusagen, dass ich den Wegweiser, der mich auf die B9 leitet möchte, ignoriere und einfach weiter geradeaus fahre. Geldern, ich muss nach Geldern, flüster ich mir immer wieder zu, wenn ich nicht gerade darüber nachdenke, dass ich entweder meine Routenplanung optimieren oder mit dem Navi fahren sollte. Aber gut, der Kontakt mit anderen Menschen ist ja auch ganz nett und so frage ich im weiteren Verlauf den einen oder anderen Passanten nach dem Weg.
In Geldern halte ich auf einem Parkplatz an, fische meinen Zettel, auf dem ich den Weg notiert habe, aus meiner Jackentasche und beschließe, wieder zu der Stelle zurückzukehren, an der ich hätte abbiegen sollen. Nun gut ...
Ab Kevelaer bin ich auf Goch fixiert, finde aber nirgendwo ein Hinweisschild, nach dem ich mich richten kann. Ergo halte ich an einer Tankstelle und frage. Mittlerweile habe ich übrigens das elegante Aufsteigen mit Gepäck am Heck gelernt, mit dem Absteigen hapert es aber noch ein klein wenig. Ach ja, es regnet immer noch, aber alles in allem hält sich der Nass-Faktor in Grenzen - noch. Aber das, naja ... kommt später.
Der freundliche Herr erklärt mir den Weg, es ist ganz einfach und so fahre ich ... na klar ... frohen Mutes weiter. Kann ja nicht mehr so weit sein und so nass bin ich ja auch noch nicht. Wie auch immer, ich finde Goch und richte mich dann nach Kalkar. Hier muss der Campingplatz ja irgendwo sein. In Kalkar frage ich eine Passantin, die mir nett den ... wie sich kurz darauf herausstellt ... falschen Weg weist. Ich bedanke mich freundlich und halte mich an ihre Anweisungen ... bis ich vor einer Straßensperre lande. Zum Glück gibt es hier eine Tankstelle. Ich steige unelegant ab und marschiere in den Verkaufsraum. Die Angestellte erklärt mir, dass dieser Weg eh falsch sei ... hahaha, die andere hat ihn mir als Abkürzung angepriesen ... und erklärt es mir richtig.
"Bis zum Blitzer und dann an der nächsten großen Kreuzung rechts, man kann es nicht übersehen". In Wissel soll ich dann direkt die erste Abzweigung rechts nehmen und schwupps ... bin ich da. Ganz einfach. Wieder bedanke ich mich höflich und steige elegant auf Nancy. Ich überlege kurz, einfach die Geschwindigkeit zu überschreiten, denn dann kann ich den Blitzer garantiert nicht übersehen, bin aber später froh, dies nicht getan zu haben. Man hätte nach der Foto-Session recht stark in die Eisen gehen müssen, um nicht an der Abzweigung vorbei zu schießen. Außerdem ist es so billiger ...
Der Wisseler See ist wirklich leicht zu finden, ich schaffe es auch bis genau 2 Minuten vor Toresschluss, allerdings ist hier nicht der Campingplatz, sondern nur das sog. Naturfreibad. Mist! Also gurke ich ein wenig durch die Gegend und suche den Freizeitpark. Irgendwann frage ich eine Dame mit Dackel und Schirm und sie erklärt mir recht umständlich, aber doch findbar, wie sich etwas später herausstellt, den Weg.
Als ich endlich ankomme, stehe ich vor verschlossenen Türen und muss fast eine Stunde warten, bis man mir Einlass gewährt - gewähren würde. Ich bin nass, mir ist kalt, ich hadere mit meinem Schicksal. Allerdings kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, dass die Wasseraufnahmekapazität meiner Motorradkluft noch lange nicht ausgeschöpft ist. Aber gut, es nützt ja nichts und so erkunde ich die Gegend. Zeit habe ich ja, aber leider viel zu viel ...
Nachdem ich mich kurz mit einer Freundin telefonisch beraten habe und ich eigentlich auf "ich will wieder nach Hause" gepolt bin, setzte ich mich auf Nancy und fahre heim. So ein Schwachsinn. Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit, hier und jetzt zu zelten. Ich bin nicht in der Bretagne und wenn ich es wäre, wäre jetzt vermutlich für mich der Zeitpunkt gekommen, in Tränen auszubrechen ...
Dafür bricht der Himmel in Tränen aus. Aber richtig. Es gießt, als ob es morgen verboten würde und alle Wolken bis dahin noch leer gemacht werden müssten. Meine Handschuhe sind so nass, dass ich bei dem Versuch, die Regentropfen von meinem Visier zu wischen, nur noch mehr Wasser auf die Scheibe bringe. In meinen Ellbogen-Protektoren bilden sich Pfützen, die ich immer wieder ausschüttel, so dass meine Ärmel tropfen, wie Wassersäcke, auf den man erfolgreich eine Ladung Schrot abgefeuert hätte. Allerdings muss ich sagen, dass mir das Fahren im Regen nichts ausmacht.
Nach einer guten Stunde komme ich ohne weitere Zwischenfälle oder nenneswerte Verfahrer bis auf die Knochen durchnässt und völlig erledigt zu Hause an und nachdem ich meine Klamotten auf die Leine gehängt habe, lasse ich mir ein Erkältungsbad ein und lege mich gemütlich mit einem Buch in die heiße Wanne. Das ist die Nässe, die ich mag.