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Mittwoch, 11. Mai 2016

Irrungen und Wirrungen am Kanal

Nach ungefähr anderthalb Kilometern bin ich im Schrevenpark und stelle fest, dass ich viel zu viel angezogen habe und so ziehe ich das erste Kleidungsstück wieder aus ... nur um nach weiteren 500 Metern festzustellen, dass es doch ganz schön frisch ist und so ... genau ... ziehe ich das Teil wieder an und irre hochmotiviert weiter durch Kiel. Meine Güte, das kann doch nicht so schwer sein. Ich muss einfach nur nach Norden. Geradeaus, sozusagen. Und wenn der Maßstab der Karte nur klein genug ist, muss ich noch nicht mal abbiegen, oder so. GE_RA_DE_AUS! Nach Norden. Also Norden ist da, wo die Sonne niemals zu sehen ist. Das heißt also, dass meine rechte Wange warm werden müsste, weil da dann ja logischerweise - also Funny-Logik, sozusagen - Osten ist. Auf jeden Fall am frühen morgen. Tut sie aber nicht, denn Häuserzeilen stehen im Weg und spenden reichlich Schatten. 

Nach einer Weile treffe ich doch noch auf die Eckernförder Straße, was schon mal gut ist. Nur welche Richtung? Rechts rum oder links? Ok, ich rufe eine Frau von ihrem Rad und frage nach dem Weg, den sie mir derartig ausführlich erklärt, dass ich mir nur merken kann, dass ich rechts rum muss. Irgendwas von einem Supermarkt erklärt sie noch, an dem ich irgendetwas machen muss, oder einfach nur darauf achten ... ich weiß es nicht mehr und wusste es auch nach anderthalb Sekunden nicht mehr ... und so gelange ich früher oder später nach Suchsdorf. Erste Hürde gemeistert. Also dachte ich. Meine Güte, hier muss doch der Kanal sein. Ok, war er auch, aber ich habe tatsächlich lange danach gesucht und außerdem leben keine Einheimischen, die man befragen könnte, in Suchsdorf. Auf jeden Fall nicht zu dieser frühen Stunde. Nur Der-Tochter-ihre-Wohnungs-Hüter aus Mecklenburg-Vorpommern oder Bauarbeiter aus einer EU-Ausschreibung.

Wie dem auch sei, irgendwann habe ich dann den ersten Kanalkontakt ... und freue mich riesig. 


So, nun gab es zwei mögliche Wege. Der eine führte direkt am Kanal entlang und der andere oberhalb, aber auch längs des Kanals, wie es schien. Ok, ich will am Kanal entlang fahren und möglichst viele Schiffe sehen, also entscheide ich mich für den unteren Weg und trete in die Pedale. Mein Zustand ist übrigens hervorragend und genervt von der ganzen Sucherei in Suchsdorf - was aber wohl Suxdorf heißt - bin ich auch nicht. Ob das wohl noch kommt? Nun, noch kann ich das nicht wissen. 

Der Radweg, also der offizielle NOK-Radwanderweg ist auf diesen Streckenabschnitt eine sog. Spurplattenbahn. Zwei Bahnen aus Betonplatten mit einer Grasnarbe dazwischen, der sich eigentlich ganz gut befahren lässt. Spurwechsel sind etwas tricky, weil ich mich noch an das Gepäck gewöhnen muss. Außerdem muss ich mich sehr auf die schmale Fahrbahn konzentrieren, um nicht in den Kanal zu plumpsen. Das wäre jetzt nämlich nicht so der Knaller und Travis abgesoffen.


Auf diesem Teil des NOK sind einige Jogger und auch Hundefreunde unterwegs, aber nach einer kurzen Weile bin ich ganz alleine auf weiter Flur.  Vermutlich liegt das daran, dass alle paar Meter ein Zettel an einen Pflock getackert war, auf dem zu Lesen stand, dass man hier auf gar keinen Fall weiterfahren darf, weil einen sonst ein früher Tod ereilen kann. Die Zettel kümmern mich  nicht weiter. Ich trage Helm, was soll schon passieren. Dafür sehe ich das erste Schiff, dass sich von hinten nähert. Mei, ist das toll. Ich bin ergriffen.


Nach fünf Kilometern werden die Warnungen bezüglich der Todesgefahr, in der ich schwebe, eindringlicher und in der Ferne sehe ich eine Absperrung. Hier ist definitiv kein Weiterkommen mehr ... also außer, das Fahrrad um die Barrieren zu tragen. Aber so verzweifelt bin ich noch nicht und außerdem ist es erst neun Uhr morgens und ich habe Zeit.


Ich radle die 8 Kilometer zurück und lande ... genau ... wieder in Suchsdorf. Jemand hat gesagt, ich müsse zurück und über die Hochbrücke auf die andere Seite des Kanals, nach der ich mal wieder lange gesucht habe. Diesmal bin ich echt genervt, denn hier war ich überall schon mal. Suchsdorf sucks - Funny is not amused, sozusagen! An einer Ampel biege ich auf die Straße nach Eckernförde und erreiche die Brücke. 


Toll, 16 Kilometer Umweg. Aber, es hat sich gelohnt. Auf dieser Seite des Kanals ist es viel schöner. Also optisch. Denn die Spurplattenbahn ist in einem katastrophalen Zustand und ich befürchte, dass ich mir die Handgelenke brechen werde, wenn das so weiter geht. Irgendwann wird sich auch mein Gepäck losrappeln und lustig am Gepäckträger hin und her schwingen. Aber das weiß ich jetzt natürlich noch nicht, wohl beschleicht mich eine leise Ahnung.


Während ich also so über die Spurplatten holpere, befasse ich mich in Gedanken schon mal mit der nächsten Station: "Bei Landwehr muss ich über den Kanal". Gesagt, getan ... 


Dumm war jetzt nur, dass ich ja schon längst auf der richtigen Seite des Kanals war und somit gar nicht übersetzen musste. Aber gut, der Weg geht auf beiden Seiten der Wasserstraße entlang, es schadet also nichts. Planänderung halt. Im Geiste höre ich allerdings meine beiden Freundinnen tuscheln: "Als ob sie einen Plan hätte", aber habe ich ja auch nicht. Ich setze also mit der Fähre über den Kanal und trete auf der anderen Seite kräftig in die Pedale. Wer gesagt hat, dass Schleswig-Holstein ein flaches Land ist, der hat sich wohl geirrt ... oder war vor langer Zeit hier, also so um den Dreh rum, als sich die Kontinentalplatten noch nicht ineinander verkeilt hatten. Also glaube ich auf jeden Fall. Das Land zwischen den Meeren ist enorm hügelig, ja, es mutet fast schon alpin an, wie ich finde. 

Ich trete also in die Pedale und fahre den Berg hinauf, biege nach rechts ab, und komme an eine Schleuse. Hier verliert sich allerdings die Spur des NOK's und so radle ich zurück und begrüße den Fährmann auf's neue. Zum Glück sind die Fähren hier kostenlos.

16 Kommentare:

  1. Oh mann, 16 km Umweg ist happig. Ich hoffe, es hat sich trotzdem gelohnt und warte sehr gespannt auf die Fortsetzungen !!!!

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    1. Und ich habe das Etappenziel noch nicht mal ansatzweise erreicht :-D

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  2. Der Zettfahrer und ich radelten gestern das erste Mal miteinander. Gegen den Speck und - natürlich - gegen den Wind. Meine Navigation muß noch optimiert werden. Meine so genannten Abkürzungen sind der pure Horror für jeden anderen, der kein solch ein Gemütsmensch wie der Zettfahrer ist. Wir nahmen irgendwann einen Weg durch den Wald (Zeckenalarm) und dann quer über eine Wiese und ein frisch gesprossenes Feld. Heute am PC sah ich dann die erstmalige Leistung: glatte 22 Kilometer querfeldein. Nicht schlecht für den Anfang. Insofern, liebe Funny: DU BIST NICHT ALLEIN MIT DER INDIVIDUELLEN ORIENTIERUNG ;-).
    Btw: im Norden kommt der Wind immer von vorne. Und auf dem Rückweg kommt er auch von vorne. Das ist mir immer ein Rätsel gewesen, wie die Natur sowas hinbekommt. Ich schätze, das ist purer Sadismus!

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    1. Hihi ... 'individuelle Orientierung', das ist gut :-D

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  3. Meine Güte! Mir stockt der Atem! Daß ein Kanal so spannend sein kann, das hätte ich nie gedacht! Und wo war der schlingelige Kanal an der Schleuse hinverschwunden? Einfach weg? Nich mööchlich!

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    1. Genau begriffen habe ich es auch nicht. Irgendwie gab es da einen Radweg, der aber auf der Karte anders markiert war. Wahrscheinlich ein Treidelpfad oder so was, den ich nicht gefunden habe. Das Radwegenetz ist nicht ganz so gut beschildert in manchen Teilen Schleswig Holsteins ... aber dazu komme ich noch in einem anderen Bericht (um genauer zu sein, am nächsten Reise-Tag. Nur weiß ich leider nicht, wie lange ich noch brauchen werde, bis ich mein Tagesziel erreichen werde) :-)

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  4. Jetzt verstehe ich endlich deinen Artikel zum Thema Kartenmaterial. Ganz ehrlich: Für so was hätte ich nur eine äußerst begrenzte Geduld. Ich hoffe, Du wirst das Etappenziel noch glücklich erreichen. Ansonsten brauche ich bei jeder Folge "Iron Ideen goes NOK" Baldriantee und Melissen-Popcorn.

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    1. Oh, dann leg dir am besten schon mal eine große Portion für den nächsten Reisetag zurecht. Allerdings dauert es noch ein schriftliches Weilchen, bis ich den antreten werde. :-)

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  5. Hihi. Manchmal würde ich solche Wege gerne von oben sehen. Als eingemalte Linie auf die Landschaft. Das sieht bestimmt lustig aus, wenn man aus der Vogelperspektive sehen kann, wie nah du dem richtigen Weg warst, bevor dich irgendetwas abgelenkt hat....

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    1. Oh ja, das wäre was für morgen ... hmpfff ... Aber zum Glück kann ich das noch nicht wissen :-)

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  6. Das Foto mit dem aufkommenden Schiff gefällt mir besonders gut. Es strahlt solch eine Ruhe aus und man sieht, wie sich der große Pott langsam durch die enge Wasserstraße schiebt.
    Das mit dem Umweg war wirklich Mist. Kurz hinter der Hochbrücke gibt es eine kleine Fähre für Fahrräder und Fußgänger, die Adler I.
    Nächstes Mal nimmste gleich die.

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    1. Nach der Fähre hatte ich gefragt, wurde aber nur angeguckt und auf die Brücke verwiesen. Eine Fähre gäbe es nicht. Aber gut, weiß ich für's nächste Mal bescheid ... und nehme dich mit :-)

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  7. Ja, mit dem Motorrad merkt man manche "Steigungen" gar nicht. So als wären sie einfach nicht existent. Mit dem Fahrrad hingegen ist jeder Meter hart erkämpft !
    Und nun stell dir mal Südnorwegen vor da gibts richtige Rampen. Der Trost: wenn man es regelmässig macht, wird man immer besser.
    Geil: "Ich trage Helm, was soll schon passieren" :-))) 404-Moment

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    1. Um regelmäßig Rampen zu üben, müsste ich erst einmal umziehen. Aber gut, ich könnte bald mal auf den Rheinradwanderweg trainieren.

      Wenn man bedenkt, dass ich ursprünglich aus dem Mittelgebirge stamme, sollten SH und der mittlere Niederrhein gefühlsmäßig tatsächlich abschüssig sein :-)

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  8. Wir sind die Strecke ja letztes Jahr in umgekehrter Richtung gefahren, und der erste Teil (zwischen Brunsbüttel und Rendsburg) kam uns von der Orientierung her deutlich einfacher vor. Entweder hatten wir einfach Glück oder es wird tatsächlich besser. Schön, dass ich bestätigt bekomme, dass Schleswig-Holstein nicht flach ist. Viel Spaß noch. :)

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    1. Danke schön. Ah, es wird besser, das lässt hoffen :-D

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