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Samstag, 14. Mai 2016

Rendsburg, here I come

Nun stehe ich also wieder am Nordufer des Kanals, sozusagen und bin ein wenig ratlos. Am Kanal selber geht es nicht weiter und so schlage ich mich nach einigen Überlegungen in's Hinterland und nehme den Weg nach Schinkel. So sagt es ja auch die Karte und es bleibt eh nichts anderes übrig. Am Kanal werde ich jetzt erst einmal eine Weile nicht mehr entlang fahren. Ich radle bergauf und bergab, durch kleinere Orstschaften und entdecke in Grosskönigsförde den herbei gesehnten Wegweiser. Rendsburg, 28 Kilometer.


Nun, wer sich jetzt fragt, warum sie nicht einfach ihr TomTom eingeschaltet hat, dem sei gesagt, dass das Navi zwar eine Einstellung für Fahrradfahrer hat, aber selten den Radweg trifft, sozusagen. Es leitet einen meistens an Bundes- oder Landstraßen entlang, Hauptsache, es gibt einen Radweg ... oder manchmal halt auch keinen.

Langer Rede, kurzer Sinn ... sonst komme ich heute ja auch wieder nicht in Rendsburg an ... ich folge dem Wegweiser und fahre durch Grosskönigsförde und mal hier lang und mal da lang und treffe kurze Zeit später wieder auf den NOK. Hier kann ich mich jetzt entscheiden, ob ich den unteren Spurplattenweg direkt am Kanal nehme, oder den Weg, der etwas oberhalb entlang führt. Nun, die Entscheidung fällt mir leicht. Auf Spurplatten habe ich keinen Bock und Erfahrung mit dem NOK auf dieser Seite des Kanals habe ich ja nun schon gemacht. Schlechte Erfahrungen, wohlgemerkt. Moah, hätte ich da mal schon gewusst, was nun auf mich zu kommt ...

Ich nehme also den oberen Weg ein. Es ist eine Art befestigte Schotterpiste und es scheint nicht mehr weit zu sein. Schlappe 5 Kilometer sagt mein TomTom, dass ich mittlerweile doch zugeschaltet habe. Ein Klacks, sozusagen. Nach anderthalb Kilometern Rüttelfahrt steige ich vom Fahrrad und schiebe die restlichen vier Kilometer, da ich Schäden an "Mann und Material" befürchte. Zum Glück habe ich Wanderschuhe an ... hmpfff ... Später, als ich einen Blick in die Handy-App "Naviki" werfe, werde ich erfahren, dass das Ding "Ziegeleiweg" heißt und genau das ist es auch. Nicht mehr und nicht weniger.

Irgendwann ist auch dieses Stück gemeistert und ich lande bei Sehestedt auf der L42. Das war zwar nicht geplant, aber was war das bisher schon!? Gut, Landstraße ist auch ok, da kann man sich wenigstens nicht schon wieder verfahren, denke ich und radle mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen weiter. Sehestedt, Steinrade, Schirnau. Auf einer rasanten Abfahrt auf einem schmalen huckeligen Radweg kommt mein Freund Travis gefährlich in's Schlingern und ich befürchte, dass ich mich gleich lang machen werde. Aber es geht alles gut und ich lege eine Pause ein. Außerdem ist Essenszeit. Auf einem Parkplatz packe ich mein Dinkelvollkornbrot und meinen Honig aus und mache mir eine leckere Kleckerei ... von der ich knappe 3 Minuten später so gräßliche Bauchschmerzen bekomme, dass ich an der nächsten Bushaltestelle wieder Rast mache und abwarte, bis sich die schlimmsten Krämpfe auflösen. Paaaah, dabei war das alles öko! Nun, und während ich da so sitze und leide, fällt mir auf, dass ich seit langer Zeit niemanden mehr gesehen habe - genau genommen war der Fährmann bei Landwehr der letzte Kandidat - und einen Supermarkt gab es auch nicht. Ich komme zu dem Schluss, dass dieser Teil Schleswig Holsteins nicht besiedelt ist und die Häuser nur Kulisse sind. Ich meine, es stehen auch überall Kühe herum und sind dekorativ anzuschauen, warum also nicht auch schnuckelige Häuser im Friesen-Style!?

Meine Bauchschmerzen werden erträglicher und ich fahre weiter. Immer schön an der Landstraße entlang. Die Kilometerangaben auf diversen Schildern sehen vielversprechend aus. Noch 10, noch 7,5, noch 5 Kilometer ... da kommt Hoffnung auf. Bis ich kurz vor dem Ziel auf einen Kreisverkehr treffe, der natürlich in die Richtung vollgesperrt ist, in die ich muss. Frech mogle ich mich zwar noch an der Barriere auf dem Radweg vorbei ... ich habe ja immerhin etwas gelernt ... aber es ist kein durchkommen in Richtung Rendsburg. Und eine Umleitung ist auch nicht ausgeschildert. Auf jeden Fall nicht aus meiner Warte heraus.

Wie dem auch sei, ich fahre einfach mal weiter und entscheide mich dabei für die Richtung, die nach Zivilisation aussieht. Irgendwann erbarmt sich auch mein TomTom und rechnet einen neuen Weg aus. Ich bin richtig, aber es sind natürlich noch mal ein paar Kilometer mehr an Weg dazugekommen. On top, sozusagen und mittlerweile weiß ich gar nicht mehr, wo ich überhaupt bin. Ich frage einen Passanten. Aha, Büttelsdorf ... und einen REWE-Markt gibt es auch, in dem ich schon mal für den nächsten Tag einkaufe. Bananen, Äpfel, Schoko-Reiswaffeln und ein Sixter Wasser. Man weiß ja nie, wann es mal wieder einen Laden gibt. Ach ja, und eine Flasche Powerade in Mädchenfarbe ... auf die bin ich angefixt. Wild Cherry rulezzz!

Der nächste Passant erklärt mir den Weg nach Rendsburg.  Ob ich am Kanal entlang wolle, werde ich vorher noch gefragt, worauf ich antworte, dass es mir völlig egal sei, Hauptsache ankommen. Es ist nicht mehr weit und die beiden Städte gehen eigentlich ineinander über. Kurz vor Mäkkes links abbiegen und es geht an den Kanal. Dann hier und dann da und schwupps, Sie haben ihr Ziel erreicht!

Ja, Ziel erreicht. Rendsburg. Aber die Pension, in der ich ein Zimmer für die Nacht gebucht habe noch lange nicht und so lerne ich eben noch nebenbei diese Stadt kennen. Um kurz vor 15 Uhr erreiche ich "Antje's Gästehaus" in der Preußerstraße nach etwas mehr als 60 Kilometern. Unterwegs ist mein Tacho gnädigerweise zeitweilig ausgefallen und ich bin bestimmt noch 5 Kilometerchen mehr gefahren, bis ich es a) bemerkt und b) behoben hatte. Aber egal, ich bin angekommen und beziehe mein Zimmer. Hübsch ist es hier. Ich hatte ja befürchtet, dass es gräßlich sein wird und ich auf dem Rückweg die gleiche Pension gebucht hatte. Aber alles gut. Inklusive Etagenbad. Ich bin erleichtert.

Nachdem ich mein Chaos im Zimmer verbreitet habe, gehe ich an den Kanal. Eine Freundin hat gesagt, "wenn du in Rendsburg bist, musst du unbedingt in das Eisstübchen am Kanal gehen. Da gibt es das beste Eis."


Nachdem ich mein Eis in neumodischer Sorte - Toblerone und Schwedisch Karamell -, dass wirklich lecker ist, verspeist habe, gehe ich noch ein bisschen spazieren. Ich finde in unmittelbarer Nähe einen Famila-Supermarkt und kaufe noch ein paar pikante Gebäcke für den Abend ... und eine Dose Pringles. Ugarisch-Style. Kenne ich noch gar nicht, aber schmeckt köstlich ... abends im Bett ... kurz vor'm Einschlafen, während ich schmatzend überlege, ob ich für die nächste Etappe, die durchaus tricky ist, nicht lieber den Zug nehmen sollte und guckel mit fettigen Fingern nach Zugverbindungen. So vorsichtshalber. Allerdings gibt es nur eine Verbindung über Husum. Mit Umsteigen. Hochkompliziert, sozusagen. Ach was. Ich fahre mit dem Fahrrad, dafür bin ich hier. Gute Nacht!

Meine Güte, was ein Abenteuer. Ich habe für 36 Kilometer schlappe 60+ benötigt und das war noch der unkomplizierte Teil der Strecke. Ich habe jede Menge Schiffe gesehen, sogar ein U-Boot. Ich bin Fähre gefahren und befand mich in absoluten Ausnahmesituationen. Ich war völlig auf mich alleine gestellt. Sowas erlebt man höchstens noch im Fernsehen ... wenn andere Leute das machen. Ich bin glücklich und ich habe es geschafft.

Hey, ich kann das.

U-Boot-Update am 16. Mai 2016

8 Kommentare:

  1. Zur Vermeidung von Irrungen und Wirkungen haben wir: https://www.komoot.de. Allerdings kommt das Programm schon mal mit Wander- und Fahrradwegen durcheinander, was auch bei uns zu interessanten Umwegen geführt hat... und komischerweise sind wir auch immer 10 bis 15 km mehr gefahren, als uns später Google vormachen wollte...

    Das mit den Bauchschmerzen unterwegs ist nicht lustig. Ich bin auch immer ganz vorsichtig, was ich unterwegs esse... aber manchmal siegt der Unverstand und ich bekomme die Quittung umgehend.

    Aber insgesamt ist doch so eine Solo Tour ein tolles Abenteuer, oder?

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    1. Eine Solo Tour ein Abenteuer? Oooooh jaaaa ... *seufz* ... aber zum Glück weiß ich das noch nicht :-)

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  2. Macht viel Spaß Deine Abenteuer mitzulesen, :-). Bin gespannt wie es weitergeht.

    So long,
    Corinna

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    1. Danke schön. Ja, ich bin auch schon gespannt, ob ich am nächsten Tag Friedrichstadt erreiche :-D

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  3. Meine Güte! Ich sitze hier mit offenem Mund! Daß die Strecke mit dem Motorrad immer irgendwie auf geheimnisvolle Weise länger wird, als man denkt, daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt, daß das mit dem Fahrrad aber noch sehr viel arger ist, das hätte ich nicht gedacht.
    Bei dem U - Boot muss ich grinsen. Da erinnere ich mich daran, wie meine Tante und ich an der Elbe standen und ob eines solchen Fahrzeuges ganz aufgeregt waren. Neben uns stand ein Mann und meinte ganz trocken, die Hände lässig in den Taschen: "Da sehn sie mal wie tief das hier ist; die meisten sieht man gar nicht...!" Wer weiß, wie viele U - Boote in der Zeit an Dir vorbeigschommen sind, die Du gar nicht gesehen hast...

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    1. Naja, hätte ich mich vorher mal mit der Karte und einem Plan befasst, wäre das vielleicht nicht passiert. Aber ich werde bestimmt besser ... *hoff* ... :-D

      Ich habe gerade das U-Boot geupdatet und ja, ich werde im weiteren Verlauf entdecken, wie tief der Kanal ist :-)

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  4. Hast du schön geschrieben. Ich habe mich immer gefragt, warum so viele Leute (angeblich) am Kanal längsradeln. Entweder diese blöden ... wie nennst du sie .. Spurplatten wegen denen man immer Angst hat, sich abzupacken oder kein Weg, nur noch Wildnis wie zwischen Kiel und Sehestedt. Mal sehen, was du hinter Hanerau-Hanemauschen (konnte den Namen nie richtig ausprechen/-schreiben) berichtest. Bis dahin kenne ich den Kanal nämlich nur.
    Aber RD ist ganz hübsch, ne ?

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    1. Hihi ... genau genommen habe ich auf der ganzen Reise nur drei Radler am NOK gesehen. Zwei davon saßen auf einer Bank und sitzbesichtigten und einer ist tatsächlich gefahren :-)

      Wildnis und abrupt endende Radwege ... hmpfff ... Am besten noch abrupt in der Wildnis endende Radwege. Das kann ja heiter werden :-)

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